Die Pulsdiagnostik ist ein zentrales Diagnoseinstrument der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und liefert tiefgehende Einblicke in den Gesundheitszustand eines Menschen. Durch das Fühlen des Pulses an verschiedenen Positionen der Handgelenke können erfahrene TCM-Therapeut:innen energetische Ungleichgewichte erkennen. Diese Methode ermöglicht nicht nur die Diagnose von Beschwerden, sondern auch das frühzeitige Erkennen von Dysharmonien, noch bevor sich Symptome zeigen.
In diesem Blogbeitrag bekommst Du einen ersten Einblick in die Bedeutung und Anwendung der Pulsdiagnostik in der TCM.
Grundlagen der Pulsdiagnostik in der TCM
Die TCM geht davon aus, dass Krankheiten entstehen, wenn das Gleichgewicht zwischen den grundlegenden Kräften Yin und Yang gestört ist und die Lebensenergie Qi nicht mehr frei durch die Meridiane fließt. Die Pulsdiagnostik hilft, diese energetischen Ungleichgewichte zu erkennen, ihre Ursachen zu identifizieren und den Verlauf sowie den Erfolg einer Therapie zu überwachen.
Im Gegensatz zur westlichen Medizin, die den Puls meist nur auf Frequenz und Rhythmus prüft, kennt die TCM zahlreiche Pulsqualitäten und -muster.
Pulsdiagnostik im Zusammenspiel mit anderen Diagnoseverfahren
Die Pulsdiagnose ist eines von vier klassischen Diagnoseverfahren in der TCM:
- Befragung (wen zhen)
- Betrachtung/Inspektion (wang zhen)
- Gehör und Geruch
- Tastung (darunter Puls- und Palpationsdiagnostik)
Erst das Zusammenspiel dieser Methoden ermöglicht eine umfassende, ganzheitliche Diagnose und die Erstellung eines individuellen Therapieplans.
Wie funktioniert die Pulsdiagnostik?

Der Puls wird an beiden Handgelenken mit drei Fingern getastet – Zeige-, Mittel- und Ringfinger. Dabei wird jeder Finger einer Position zugeordnet: vorn, Mitte, hinten. Und jede dieser drei Positionen wiederum steht für ein Organ oder Organsystem:
- Linkes Handgelenk: Herz – Leber – Niere (Yin)
- Rechtes Handgelenk: Lunge – Milz – Niere (Yang)
Jede Stelle wird auf drei Ebenen ertastet: oberflächlich, mittig und tief. Dadurch ergeben sich insgesamt 18 Pulsqualitäten pro Patient:in.
Aber was genau kann man bei der Pulsdiagnostik spüren?
Die Pulsdiagnostik in der TCM umfasst die Beurteilung von:
- Frequenz (schnell, langsam)
- Rhythmus (regelmäßig, unregelmäßig)
- Stärke (kräftig, schwach)
- Form (dünn, breit, gespannt, weich etc.)
- Qualität (rau, gleitend, drahtig, hohl usw.)
Es sind also nicht nur Frequenz und Rhythmus, wie in der schulmedizinischen Praxis, sondern wir finden auch Hinweise in den Pulsqualitäten: Ist er schlüpfrig, gespannt, saitenförmig, voll oder leer, oberflächlich oder tief? Die TCM kennt über 28 Pulsbilder – und sie alle erzählen uns etwas über Fülle- oder Leerezustände, Hitze oder Kälte, Stagnation oder freien Fluss von Qi und Blut sowie den Zustand der Organe.
Typische Pulsqualitäten und ihre Bedeutung
In der TCM werden verschiedene Pulsqualitäten unterschieden, die auf spezifische energetische Zustände oder Organfunktionen hinweisen können. Ein paar Beispiele dafür sind:
- Fadenförmiger Puls (Xian Mai): Schwach und dünn, Hinweis auf Schwäche oder Erschöpfung.
- Rauer Puls (Se Mai): Unregelmäßig und rau, Zeichen für Blockaden oder Stagnation.
- Schneller Puls (Shu Mai): Hinweis auf Hitze oder Fieber.
- Langsamer Puls (Chi Mai): Kann auf Kälte oder Mangel hinweisen.
- Gleitender Puls (Hua Mai): Glatt und harmonisch, Zeichen für Gleichgewicht.
- Drahtiger Puls (Xian Mai): Straff und gespannt, oft bei Stress oder Leber-Problemen.
- Hohler Puls (Kou Mai): Leer in der Mitte, Hinweis auf Blut- oder Qi-Mangel.
- Überflutender Puls (Hong Mai): Stark und übermäßig, meist bei Hitze oder Entzündung.
Jede Pulsqualität gibt dem erfahrenen Therapeuten/der erfahrenen Therapeutin Hinweise auf die zugrunde liegenden Dysharmonien im Körper.

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Die Kunst der Interpretation?
Die Pulsdiagnostik ist deswegen so schwierig, weil es nichts ist, was man „mal schnell“ lernt. Sie gilt als die anspruchsvollste und geheimnisvollste der TCM-Diagnosemethoden. Sie erfordert jahrelange Erfahrung, Feingefühl und Konzentration, da viele Nuancen und subjektive Eindrücke in die Bewertung einfließen.
Die Kunst besteht darin, die Vielzahl der Pulsqualitäten richtig zu deuten und mit den anderen Diagnosemethoden – wie Zungendiagnose, Befragung und Betrachtung – in Beziehung zu setzen. Sie erfordert Ruhe, Übung, Sensibilität und Erfahrung. Und sie ist schwer zu unterrichten – denn ein Puls verändert sich sofort, wenn mehrere Menschen ihn gleichzeitig tasten. Selbst nach Jahren in der Praxis fühlt man sich in der Pulsdiagnostik manchmal noch wie Anfänger:innen. Aber das ist auch das Schöne: Die TCM bleibt lebendig, fordernd und inspirierend.
Fazit: Pulsdiagnostik als Spiegel des inneren Gleichgewichts
Die Pulsdiagnostik in der TCM ist eine hochentwickelte, differenzierte Methode, die weit über das hinausgeht, was in der westlichen Medizin unter Pulsmessen verstanden wird. Sie spiegelt das feine Zusammenspiel von Körper, Geist und Lebensenergie wider und ist ein Schlüssel zur individuellen, ganzheitlichen Behandlung.
Wer sich auf die Kunst der Pulsdiagnose einlässt, erfährt nicht nur mehr über seinen Gesundheitszustand, sondern auch über die tiefe Verbindung von Körper und Seele, die im Zentrum der Traditionellen Chinesischen Medizin steht.
Möchtest auch Du noch mehr über die auf Patient:innen manchmal fast schon mysteriös wirkende Pulsdiagnostik wissen? Dann höre in die Jubiläumsfolge 20 des Podcasts „Die TCM-Docs“ und erfahre im zweiten Teil, was uns so fasziniert an diesem Diagnoseinstrument.
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