Erkältungen in der TCM

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Es ist fast jedes Jahr dasselbe: Kaum beginnt der Herbst, schon hört man überall Husten, Schniefen und heisere Stimmen. Die Schule beginnt, Volksfeste wie das Oktoberfest bringen viele Menschen zusammen, das Wetter wird kühler – eine ideale Mischung für die Verbreitung von Viren.

In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist der Herbst eine kritische Übergangszeit: Der Sommer, dem das Element Feuer zugeordnet ist, steht für Aktivität, Expansion und Hitze, wohingegen der Herbst zum Element Metall gehört. Er bringt Rückzug, Struktur und auch eine gewisse Trockenheit mit sich. In diesem Spannungsfeld entstehen häufig Erkältungen als Störungen, wenn Körper und Geist sich nicht rechtzeitig umstellen.

Warum der Herbst uns aus Sicht der TCM anfälliger macht

In der TCM wird Gesundheit als ein harmonisches Gleichgewicht zwischen den Organen, den Elementen und dem Qi (Lebensenergie) verstanden. Der Herbst ist eng verbunden mit der Lunge – einem Organ, das in der chinesischen Medizin nicht nur für das Atmen verantwortlich ist, sondern auch eine zentrale Rolle im Immunsystem spielt.

Die Lunge liebt Feuchtigkeit und Wärme, aber sie hasst Trockenheit und Kälte – genau das, was der Herbst mit sich bringt. Wenn wir nicht aufpassen, wird das Abwehr-Qi (Wei Qi), das an der Körperoberfläche zirkuliert und uns vor äußeren Einflüssen schützt, geschwächt. Dann haben Erkältungsviren leichtes Spiel.

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Zudem ist der Herbst auch eine Zeit der Melancholie. In der TCM ist das die Jahreszeit der Trauer – ein Gefühl, das, wenn es nicht verarbeitet wird, ebenfalls die Lunge schwächen kann. Emotionaler Stress, Müdigkeit und ungelöste Themen des Sommers treffen also auf ein Immunsystem, das ohnehin sensibler reagiert.

Häufige TCM-Muster bei Erkältungen

Halsschmerzen, starker Husten, Erschöpfung – viele leiden bei einer Erkältung meist an einer Mischform verschiedenster Infektionen. Die Grenzen verschwimmen. Für die TCM ist das nicht entscheidend, denn sie betrachtet weniger das Etikett einer Krankheit, sondern vielmehr das individuelle Muster dahinter.

Wichtiger als der Name des Virus, der die Erkältung auslöst, ist also in der TCM die Frage, welcher energetische Dysbalance dahinter steckt.

  • Wind-Kälte-Erkältung: Typisch für den frühen Herbst. Man friert, hat eine laufende Nase, leichten Husten, eventuell Kopfschmerzen. Hier hilft Wärmen – Ingwertee, warme Fußbäder, Akupressur von bestimmten Punkten wie „Zanzhu“.
  • Wind-Hitze-Erkältung: Häufig in der Übergangszeit, wenn es tagsüber noch warm ist, aber abends abkühlt. Symptome: Halsschmerzen, Fieber, gelber Schleim, verstopfte Nase. Hier setzen wir auf kühlende, schleimlösende Kräuter wie Chrysantheme oder Pfefferminze.
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  • Trockenheit der Lunge: Gerade im Spätherbst verbreitet. Die Luft wird trockener, die Heizung läuft. Typische Beschwerden: trockener Husten ohne Auswurf, trockene Haut, manchmal Reizhusten oder ein leichtes Engegefühl in der Brust. Dann braucht die Lunge Feuchtigkeit – etwa durch Birne, Mandeln, Reissuppe oder spezielle Kräuterrezepturen.

Was Du jetzt für Dein Immunsystem tun kannst

Damit Du gut durch den Herbst kommst, hier einige TCM-empfohlene Maßnahmen zur Stärkung des Wei Qi, deiner Abwehrkräfte:

  1. Regelmäßiger Tagesrhythmus: Der Herbst lädt ein zu mehr Struktur. Steh zur gleichen Zeit auf, geh regelmäßig schlafen. Die Lunge liebt Rituale.
  2. Ernährung nach der Saison: Iss warm, gekocht und nährend. Vermeide zu viele rohe oder kalte Speisen. Kürbis, Süßkartoffeln, Lauch, Hafer – das sind Herbstfreunde.
  3. Kräuterunterstützung: Klassische Mischungen wie „Yu Ping Feng San“ (Jade-Windschutzpulver) können dein Abwehrsystem stärken. Aber bitte nur nach Rücksprache mit einem:r TCM-Therapeut:in.
  4. Atmung & Qigong: Tiefe Atemübungen nähren die Lunge. Schon zehn Minuten am Tag mit Fokus auf bewusste Ausatmung helfen, die Lebensenergie zu kultivieren.
  5. Emotionale Pflege: Achte auf Deine Stimmung! Melancholie ist okay – aber lass sie nicht stagnieren. Spaziergänge, Gespräche, Tagebuch schreiben – finde Deine Form, den Herbst emotional zu verarbeiten.
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Egal ob der schnupfende Kollege auf der Arbeit, die erkälteten Kinder in der Schule und dem Kindergarten oder der hustende Bekannte beim Sport – es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis Du auch den ersten Infekt erwischst.

Anstatt zu warten, kannst Du aber auch jetzt direkt beginnen, Dein Immunsystem zu stärken.

Erkältungen behandeln – sanft und wirksam mit TCM

Die Diagnose erfolgt in der TCM bei Erkältungen nicht anhand eines Erregers, sondern durch eine differenzierte Betrachtung von Zunge, Puls, Konstitution und aktuellen Symptomen.

1. Die sechs pathogenetischen Faktoren: Wind als Auslöser

In der TCM gibt es sechs äußere pathogene Faktoren (Xie Qi), die als Krankheitsverursacher gelten – allen voran der Wind. Wind ist in der chinesischen Medizin nicht nur ein meteorologisches Phänomen, sondern steht symbolisch für eine plötzliche Bewegung, für das Eindringen von etwas Fremdem von außen.

Eine Erkältung beginnt in der TCM fast immer mit Wind – Wind-Kälte, Wind-Hitze oder Wind-Trockenheit. Und je nach Art dieses pathogenen Faktors unterscheiden sich auch die Behandlungsstrategien.

2. Behandlung mit Akupunktur und Moxibustion

Akupunktur ist eine zentrale Methode der TCM, um das Qi zu regulieren und den Körper bei der Abwehr zu unterstützen. Bei beginnenden Erkältungssymptomen können folgende Punkte hilfreich sein:

  • LI4 – Hegu: Löst die Oberfläche auf, vertreibt Wind, wirkt schmerzlindernd.
  • LU7 – Lieque: Unterstützt die Lunge, vertreibt Wind-Kälte.
  • BL13 – Feishu: Rückenpunkt der Lunge – stärkt das Lungen-Qi.
  • GV14 – Dazhui: Klärt Hitze und stärkt das Wei Qi.
  • ST36 – Zusanli: Allgemein stärkend und aufbauend, besonders bei Schwäche nach einer langen Erkältung.

Auch Moxibustion, das Erwärmen bestimmter Punkte mit glühendem Beifußkraut, kommt bei Wind-Kälte zum Einsatz – insbesondere bei Frösteln, Kältesensibilität und Schwitzen mit Erschöpfung.

3. Kräutertherapie: Präzise und individuell

In der chinesischen Kräutermedizin gibt es jahrtausendealte Rezepturen, die exakt auf das jeweilige Muster abgestimmt werden. Einige Beispiele:

  • Ma Huang Tang (Ephedra-Dekokt): Bei Wind-Kälte-Erkältungen mit Frösteln, Gliederschmerzen und ohne Schweiß.
  • Yin Qiao San: Bei Wind-Hitze mit Halsschmerzen, leichtem Fieber, roten Augen.
  • Xing Su San: Bei trockener, kühler Witterung und trockenem Husten – nährt die Lunge und vertreibt Trockenheit.
  • Zhi Sou San: Bei langanhaltendem Reizhusten nach einer Erkältung – löst Schleim und harmonisiert die Lunge.

Wichtig: Diese Mischungen sollten niemals auf eigene Faust eingenommen werden, sondern nur nach einer individuellen TCM-Diagnose durch eine:n erfahrene:n Therapeut:in. Die Kunst liegt in der exakten Anpassung an das aktuelle Dysharmonie-Muster.

4. Ernährung als Therapie – Deine Küche als Apotheke

Die Ernährung spielt in der TCM eine tragende Rolle bei der Behandlung und Prävention von Erkältungen. Auch hier gilt: warm, bekömmlich, saisonal.

  • Bei Wind-Kälte: Ingwertee mit braunem Zucker, Hühnersuppe mit Frühlingszwiebeln, Zimt – alles, was wärmt und den Schweiß anregt.
  • Bei Wind-Hitze: Minztee, leicht gekochte Birnen mit etwas Honig, Chrysanthementee, Mungbohnensuppe – das kühlt und leitet Hitze aus.
  • Bei trockener Lunge: Gedämpfte Birnen mit Mandeln, Reissuppe mit Datteln, Karotten-Ingwer-Suppe – sie befeuchten und stärken.

Besonders wichtig: Trinke ausreichend warme Flüssigkeit. Kalte Getränke oder rohes Obst direkt aus dem Kühlschrank solltest Du in dieser Zeit unbedingt meiden, um die Heilung einer Erkältung zu fördern.

5. Erholung, Atmung, Schlaf – deine besten Verbündeten

Ein oft unterschätzter Aspekt in der Erkältungsbehandlung: Sei nicht zu streng mit Dir. Heilung braucht Zeit – manchmal mehrere Wochen. Der Körper fordert seinen Rhythmus zurück. In der TCM ist es völlig normal, dass manche Erkältungen länger andauern, besonders wenn das Wei Qi vorher geschwächt war. Gib deinem Körper Raum zur Regeneration. Das bedeutet konkret:

  • Vermeide Überarbeitung, intensiven Sport oder zu frühes „Zurück-ins-Leben-Stürzen“.
  • Fördere den Atemfluss – Atemübungen, Qigong oder einfach bewusste Bauchatmung stärken die Lunge.
  • Schaffe einen Schlafrhythmus, der Deine Heilung unterstützt – früh ins Bett, kein Bildschirmlicht am Abend, warme Füße beim Einschlafen.

„Gib Dir Raum. Ruhe. Suppe. Und manchmal auch einfach Stille.“

Der Herbst fordert uns – aber er bietet auch Heilung

So unangenehm eine Erkältung auch sein mag – sie ist auch eine Einladung. Zurückzublicken auf einen intensiven Sommer. Loszulassen. Dich nach innen zu wenden. Der Herbst will uns nicht krank machen – er will, dass wir wieder lernen zu lauschen: dem Körper, der Seele, dem Atem.

In der TCM ist eine Krankheit kein Fehler, sondern ein Zeichen. Vielleicht brauchen wir weniger Kampf gegen die Symptome – und mehr Verständnis für das, was unser Körper uns sagen will.

In diesem Sinne: Bleib warm, bleib achtsam – und hör auf Deinen inneren Herbst.

Möchtest Du mehr über Erkältungen aus Sicht der TCM erfahren? Dann hör rein in Folge 32 des Podcasts „Die TCM-Docs“. Dort sprechen wir noch tiefer über die aktuellen Entwicklungen, unsere persönliche Erfahrungen und was Du konkret tun kannst.

Blog – weiter lesen

Hier findest Du wissenswerte und nützliche Tipps zur Integration der Lehren der Traditionellen Chinesischen Medizin für mehr Wohlbefinden in deinen Alltag:

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